Große Nachfrage trifft auf geringes Angebot: Im niederösterreichischen Waldviertel ist das Angebot an Wohnraum trotz negativer Geburtenbilanz unzufriedenstellend. Grund dafür ist ein hoher Leerstand und eine gewisse Zurückhaltung bei der Vermietung. Das ist nicht nur für Wohnungssuchende ein Problem. Es schränkt die Entwicklung der Region ein und erweist sich als Belastung für die Eigentümer.
Wer eine ungenutzte Immobilie im Waldviertel besitzt: Jetzt ist eine gute Zeit, sie zu vermieten. Warum, das erklärte Peter Weinberger von Raiffeisen Immobilien anlässlich der Pressekonferenz „Wohnen im Waldviertel“. Die Nachfrage nach Immobilien im nordwestlichen Viertel Niederösterreichs sei zurzeit größer als die Nachfrage. Laut Statistik Austria sind im vergangenen Jahr 5.752 Menschen in die Region Waldviertel gezogen und haben hier ihren Hauptwohnsitz gegründet. Die stärkste Gruppe der Zugezogenen sind Menschen zwischen 20 und 37 Jahren – oftmals junge Familien mit Kindern. Gründe für den Wunsch nach einem Leben auf dem Lande sind eine hohe Lebensqualität, ausreichend Infrastruktur und die im Vergleich günstigen Immobilienpreise.
Im Jahr 2024 zogen um 406 Personen mehr ins Waldviertel als von dort wegzogen. Das reicht jedoch nicht aus, um den leichten Bevölkerungsrückgang in dieser Region gänzlich zu stoppen. Schuld daran ist die stark negative Geburtenbilanz.
Kein Engpass bei Infrastruktur
Anders als in anderen Regionen Niederösterreichs hat das Waldviertel kein Infrastrukturproblem als Folge der Bevöllkerungsdynamik. Im Gegenteil: 10 bis 15 % Zuzug könnte die Infrastruktur problemlos verkraften, erklärt Patrick Layr, Bürgermeister der Stadtgemeinde Weitra und Obmann des Vereins „Interkomm Waldviertel“. Auch Jobs seien vorhanden. Regionale Betriebe suchen dringend Fachkräfte und qualifiziertes Personal. Wobei es eine Tendenz zur Multilokalität gebe: Viele Zugezogene haben eine Arbeitsstelle in der Landes- oder Bundeshauptstadt, arbeiten aber den Großteil der Woche über im Homeoffice an ihrem Hauptwohnsitz im Waldviertel. Spätestens im Ruhestand werden sie oft zu „Vollzeit-Waldviertlern“.
Wohnraum wird gehortet
Die negative Geburtenbilanz im Waldviertel führt zu einem hohen Leerstandsanteil. Die Größe der eingesessenen Waldviertler Familien nimmt ab. Dadurch wird mehr Wohnraum frei; sei es, dass ältere Menschen in Gebäuden wohnen, von denen sie nur einen Teil als Wohnraum nutzen, sei es, dass Häuser ererbt werden, deren Bewohner verstorben sind. Diese Immobilien bzw. dieser Wohnraum werden aber oft weder verkauft noch vermietet. Grund dafür ist zum einen, dass man Wohnraum für die eigenen Kinder zurückhalten will, zum anderen aber auch eine gewisse Scheu vor Vermietung: „Oft fehlt es am nötigen Know-how. Man fürchtet Probleme und weiß nicht genau, wie man die Immobilie gewinnbringend vermietet“, so Interkomm-Obmann Layr.
Interkomm ist eine Kooperation von 64 Gemeinden in Niederösterreich. Sie betreibt das Internet-Portal www.wohnen-im-waldviertel.at. Es dient dazu, Eigentümerinnen und Eigentümer von leeren Immobilien mit Menschen zu vernetzen, die Wohnraum oder Geschäftsräume suchen. Das Portal bietet Menschen, die den Wunsch tragen, sich im Waldviertel niederzulassen, außerdem Information über Kultur- und Freizeitangebote, Kindergärten und Schulen, Nahversorger und Gastronomie, Ärzte und Apotheken.
Kosten des Leerstands
Wer sich mit dem Gedanken trägt, zu vermieten oder zu verkauften, dem empfiehlt Layr, mit der Gemeinde in Kontakt zu treten. Oft wisse man vor Ort am besten, was fehle, wie man Wohnraum marktgerecht adaptiert und wie man ihn vermarktet – die Vernetzung via Interkomm ist hier ein weiteres Plus. „Wir suchen laufend nach Eigentümerinnen und Eigentümern, die ihre Immobilie im Waldviertel verkaufen oder vermieten möchten“, sagt Layr. Leerstand sei einerseits für die Eigentümer belastend. Der Erhalt einer Immobilie werde insbesondere bei steigenden Energiekosten immer teurer werden. Dem stehen bei Leerstand aber keine Einnahmen gegenüber. Andererseits wolle man mit der Nutzung leerstehender Liegenschaften der Zersiedelung und dem Bodenverbrauch entgegenwirken. „Gebäude nicht zu nutzen, würde die Entwicklungen in der Region massiv einschränken, weil immer mehr Menschen Wohnraum brauchen. Außerdem müssen wir verantwortungsvoll mit unserem Boden umgehen, damit nicht zu viel davon versiegelt wird,“ so Josef Wallenberger, Geschäftsführer der Wallenberger & Linhard Regionalberatung in Horn.
Appell zur Vermietung
Gesucht werden im Waldviertel in erster Linie freistehende Einfamilienhäuser. Die Nachfrage nach traditionellen Bauernhäusern sei enorm, so Weinberer. Nicht, um dort einen landwirtschaftlichen Betrieb zu begründen, sondern um die Gebäude als Wohnraum zu adaptieren, mit viel Platz für die Familie. Gebrauchte Immobilien in gutem Zustand sind besonders begehrt – nicht zuletzt auch, weil neue Objekte als Folge der hohen Baukosten relativ teuer sind. Dem kommt eine gestiegene Bereitschaft zur Sanierung und zum schrittweisen Umbau gebrauchter Objekte entgegen. Absolute Bruchbuden mit zerbrochenen Fensterscheiben seien praktisch nicht mehr auf dem Markt, betont Weinberger. Der Raiffeisen-Immobilien NÖ-Geschäftsführer rät ausdrücklich, auch bei leerstehenden Einfamilienhäusern eine Vermietung in Erwägung zu ziehen: „Einfamilienhäuser fallen nicht unter das Mietrechtsgesetz. Damit haben die Eigentümer, die nicht verkaufen wollen, gute Gestaltungsmöglichkeiten um Einkünfte aus der Liegenschaft zu generieren.