Türen sind Über­gän­ge von drau­ßen nach drin­nen. Manch­mal geheim­nis­voll, manch­mal banal, manch­mal ver­schlos­sen, manch­mal ein­la­dend offen. Gabrie­le Has­mann und die Foto­gra­fin Bar­bo­ra Vav­ro Gru­ber wid­men ihren Bild­band „Von Tür zu Tür – Wie­ner Geschich­ten“ ganz den Ein­tritts­pfor­ten ins Häus­li­che und Pri­va­te, in Ver­samm­lungs­or­te exklu­si­ver Gesell­schaf­ten oder ein­fach in Werk­stät­ten, in denen täg­li­che Arbeit ver­rich­tet wird.

Die­se Wie­ner Türen sind prunk­voll, künst­le­risch, ver­spielt, nüch­tern, unschein­bar, futu­ris­tisch, schlicht oder extra­va­gant. Davon zeu­gen die ganz­sei­ti­gen Abbil­dun­gen: Tür-Potraits en face. Has­manns Tex­te erzäh­len die Geschich­te und die Geschich­ten des Hau­ses: Anek­do­ten rund um bekann­te Per­sön­lich­kei­ten wie Gus­tav Klimt und
Gia­co­mo Casa­no­va, aber auch die Schick­sa­le namen­lo­ser Köchin­nen oder Kell­ner. Has­mann berich­tet von gesell­schaft­li­chen Skan­da­len wie jenem im „Cen­tral­bad“ in der Weih­bur­gas­se, wo Erz­her­zog Lud­wig „Luzi­wu­zi“ Vik­tor von einem jun­gen Mann geohr­feigt wur­de. In ande­ren Häu­sern ereig­ne­ten sich Tra­gö­di­en: Hin­ter einer der bekann­tes­ten Jugend­stil­tü­ren Wiens, am Dan­ne­berg­platz 11 im 3. Bezirk, beging der Direk­tor der Nie­der­ös­ter­rei­chi­schen Dar­le­hens­spar­kas­se im Jahr 1913 spek­ta­ku­lär Selbst­mord, aus Angst davor, wahn­sin­nig zu wer­den.

Es sind aber nicht die gro­ßen Tra­gö­di­en von poli­ti­scher Trag­wei­te, für die sich die Autorin Gabrie­le Has­mann inter­es­siert. Es sind vor allem die klei­nen Geschich­ten der Haus­be­woh­ner. Geschich­ten, die nur zufäl­lig über­lie­fert sind, weil sie sich in einer Zei­tungs­no­tiz wie­der­fin­den. So wie die vom Kell­ner Oskar Plank, wohn­haft im 4. Bezirk, hin­ter einer inzwi­schen stark in die Jah­re gekom­me­nen neo­ba­ro­cken Ein­gangs­tür in der Rie­nößl­gas­se. Er hat­te 1938 Anzei­ge erstat­tet, weil ihm 6.000 Reichs­mark gestoh­len wur­den.

Neben die­sen nüch­tern doku­men­tier­ten Vor­fäl­len berich­tet Has­mann von kol­por­ta­ge­haf­ten Anek­do­ten und düs­te­ren Legen­den. So soll hin­ter dem unschein­ba­ren, abwei­sen­den Tor des „Toten­dok­tor­hau­ses“ in der Schön­la­tern­gas­se 9 ein Pakt mit dem Teu­fel geschlos­sen wor­den sein, und die schlich­te Holz­tür zum kleins­ten Haus der Innen­stadt auf der Möl­ker­bas­tei war stum­me Zeu­gin eines Gift­mords.

Man­che Türen erzäh­len von durch­tanz­ten Näch­ten, man­che von täg­li­cher Arbeit, man­che von klei­nen Gau­ne­rei­en. Hin­ter man­chen Türen wur­den gro­ße Ideen gebo­ren, hin­ter ande­ren sol­che, die vom Zeit­geist über­rollt wur­den. „Von Tür zu Tür“ brei­tet die Kul­tur­ge­schich­te Wiens als Col­la­ge klei­ne­rer und grö­ße­rer Bege­ben­hei­ten aus, untrenn­bar ver­knüpft mit den Häu­sern der Stadt und ihren Ein­gangs­tü­ren. Das Buch ist auch eine Ein­la­dung, durch die Stadt zu gehen und die vie­len Details an den Fas­sa­den der Häu­ser zu betrach­ten, die die eine oder ande­re Geschich­te zu erzäh­len hät­ten.

Von Tür zu Tür – Wie­ner Geschich­ten

Autorin­nen: Gabrie­le Has­mann / Bar­bo­ra Vav­ro Gru­ber
Sty­ria Ver­lag, Wien 2025
208 Sei­ten
Preis: € 32,00 inkl. MwSt.
ISBN: 978–3‑222–13726‑6,

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