Bar­rie­re­frei­heit, Down­si­zing, Digi­ta­li­sie­rung – das sind Stra­te­gien, die das Woh­nen im Alter erleich­tern und vor allem ein selb­stän­di­ges Leben in vor­ge­rück­ten Jah­ren ermög­li­chen sol­len. Aber wie sie sieht die Wirk­lich­keit aus? Was sind die Wün­sche der älte­ren Gene­ra­ti­on – und wel­che Ansprü­che ans Woh­nen hat sie?

Öster­reichs Bevöl­ke­rung wird älter. 19,6 Pro­zent der Öster­rei­che­rin­nen und Öster­rei­cher zäh­len 65 Jah­re oder mehr. Vor­aus­sicht­lich wird in den 2030er Jah­ren die­ser Anteil der Bevöl­ke­rung mehr als 25 Pro­zent betra­gen. Das hat gra­vie­ren­de Aus­wir­kun­gen auf den Arbeits­markt und auf vie­le ande­re Berei­che des Lebens. Nicht zuletzt auch auf den Woh­nungs­sek­tor.

Begin­nen wir mit der guten Nach­richt: Dass wir in Sum­me älter wer­den, hat auch damit zu tun, dass unse­re Lebens­er­war­tung steigt. Sie lag im Jahr 2022 bei 83,73 Jah­ren (Frau­en) bzw. bei 78,99 Jah­ren (Män­ner). Im Ver­gleich zu Daten aus 2012 bedeu­tet dies, dass wir im Durch­schnitt rund ein hal­bes Jahr mehr Lebens­zeit zur Ver­fü­gung haben! Wie wol­len wir die­se gewon­nen Zeit ver­brin­gen?
Franz Kol­land, Lei­ter des Kom­pe­tenz­zen­trums für Geron­to­lo­gie und Gesund­heits­for­schung an der Karl Land­stei­ner Pri­vat­uni­ver­si­tät für Gesund­heits­wis­sen­schaf­ten, hat gemein­sam mit sei­nem Team und in Zusam­men­ar­beit mit Sene­Cu­ra, einem pri­va­ten Betrei­ber von Gesund­heits- und Pfle­ge­ein­rich­tun­gen, die Wohn­si­tua­ti­on, die Wohn­be­dürf­nis­se und die Wohn­wün­sche von Men­schen über 60 Jah­re erho­ben.

Ein Merk­mal der älte­ren Gene­ra­ti­on ist laut Stu­die die hohe Eigen­tums­quo­te. Zur­zeit leben 62 Pro­zent der Bevöl­ke­rung über 60 Jah­re in Eigen­tums­ver­hält­nis­sen, 2018 waren es 67 Pro­zent. Bemer­kens­wert ist, dass Eigen­tü­me­rIn­nen weni­ger von den zur­zeit vor­herr­schen­den Kri­sen betrof­fen sind als Mie­te­rInn­nen. So hat rund ein Fünf­tel der Eigen­tü­me­rIn­nen (28 %) Pro­ble­me, mit dem Haus­halts­ein­kom­men aus­zu­kom­men. Bei den Mie­te­rIn­nen fällt es jedoch mehr als der Hälf­te (52 %) nicht leicht, die lau­fen­den Aus­ga­ben zu täti­gen.

Je älter, des­to zufrie­de­n­er­mit der eige­nen Woh­nung
Die ver­schie­de­nen Kri­sen der letz­ten Zeit hin­ter­las­sen ihre Spu­ren auch bei der Wohn­zu­frie­den­heit. Die­se hat in den letz­ten Jah­ren merk­lich abge­nom­men. Im Jahr 2018 gaben bei einer ähn­li­chen Umfra­ge noch 55 Pro­zent der Befrag­ten an, sehr zufrie­den mit ihrer Wohn­si­tua­ti­on zu sein. 2023 waren es nur noch 49 Pro­zent. Bemer­kens­wert ist, dass die Wohn­zu­frie­den­heit mit dem Alter zunimmt: Bei den Über-80-Jäh­ri­gen sind 63 Pro­zent zufrie­den, bei den 70-bis-79-Jäh­ri­gen sind es nur mehr 48 Pro­zent, bei den 60-bis-69-Jäh­ri­gen 45 Pro­zent.

Auch ob man allei­ne oder gemein­sam wohnt, spielt eine Rol­le. Allein­le­ben­de zei­gen sich weni­ger zufrie­den als Per­so­nen in Mehr­per­so­nen­haus­hal­ten. Stu­di­en­au­tor Kol­land sieht die Grün­de dafür in den hohen psy­chi­schen Belas­tun­gen sowie an dem höhe­ren finan­zi­el­len Druck für Ein­per­so­nen­haus­hal­te durch die Infla­ti­on.

Umzie­hen und Down­si­zing wird skep­tisch betrach­tet
Was tun, wenn man mit sei­ner Wohn­si­tua­ti­on unzu­frie­den ist oder sich die Woh­nung schlicht­weg nicht leis­ten kann? Umzie­hen wäre die nahe­lie­gen­de Lösung. Oft zeigt sich ohne­hin, dass man im Alter ande­re Bedürf­nis­se ans Woh­nen stellt als in jun­gen Jah­ren.

Richard Kaan, Exper­te für „Seni­or Skills“, bezeich­net die Zeit zwi­schen dem 30. und dem 50. Lebens­jahr als die „Rush Hour“ des Lebens. Danach ändern sich die Bedürf­nis­se und Wün­sche, die man an das Woh­nen stellt: Die Kin­der sind aus dem Haus, und Kin­der­zim­mer wer­den über­flüs­sig. Kör­per­li­che Beschwer­den machen Gar­ten­ar­beit müh­sam. Statt des Gar­tens ist nun ein bar­rie­re­frei­es Bade­zim­mer über­le­gens­wert oder ein eige­ner Raum für eine 24-Stun­den-Betreue­rin – nur für den Fall.
Aber hier zeigt sich, dass mit dem Alter auch ein gewis­ses Behar­rungs­ver­mö­gen ein­her­geht. Obwohl „Down­si­zing“, also das Ver­klei­nern der Woh­nung ohne dabei an Wohn­qua­li­tät ein­zu­bü­ßen, in vie­len Fäl­len sinn­voll ist, hal­ten es 62 Pro­zent der Gene­ra­ti­on 60+ für unwahr­schein­lich, dass sie in ihren Leben noch ein­mal umzie­hen wer­den.

Vor fünf Jahen schlos­sen ledig­lich 50 Pro­zent der Senio­ren einen noch­ma­li­gen Umzug aus – die Umzugs­freu­dig­keit hat also abge­nom­men. Auch hier sieht Kol­land einen Zusam­men­hang mit den poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Ent­wick­lun­gen der letz­ten Jah­re. Ein Umzug kos­tet erst ein­mal Geld. Bei der aktu­el­len Teue­rungs­wel­le über­legt man sich den Umzug des­halb zwei­mal. Hin­zu kommt das sub­jek­ti­ve Gefühl nach Sicher­heit und Sta­bi­li­tät. Man zieht die gewohn­te Umge­bung dem Aben­teu­er, sich auf eine neue Wohn­si­tua­ti­on ein­zu­las­sen, vor. Ganz beson­ders in Kri­sen­zei­ten.

Alt wer­den in gewohn­ter Umge­bung
In den eige­nen Wän­den alt zu wer­den und im gewohn­ten Zuhau­se sei­nen Lebens­abend zu ver­brin­gen, ist ein Wunsch, den wohl die meis­ten Men­schen nach­voll­zie­hen kön­nen. Dem­zu­fol­ge ist auch das Inter­es­se an alter­na­ti­ven Wohn­for­men gering – sei­en es Mehr­ge­ne­ra­tio­nen­häu­ser oder Alters-WGs. Am ehes­ten kann man sich noch den Umzug in betreu­tes Woh­nen vor­stel­len – wenn es denn sein muss. Die „jun­gen Alten“ – also die 60- bis 69-Jäh­ri­gen – könen sich betreu­tes Woh­nen eher vor­stal­len als die Älte­ren. Bei den Über-80-Jäh­ri­gen ist betreu­tes Woh­nen nur für 29 Pro­zent eine Opti­on, bei den „jun­gen Alten“ sind es 44 Pro­zent. Das Zusam­men­le­ben mit den eige­nen Kin­dern ist bei Senio­ren übri­gens gar nicht beliebt – nur sechs Pro­zent wür­den ger­ne mit der jün­ge­ren Gene­ra­ti­on unter einem Dach leben.

Selb­stän­dig­keit im Alter ist auch gesell­schaft­li­ches Anlie­gen
Eines ist klar: Will man im hohen Alter in der gewohn­ten Umge­bung leben, sind Adap­tio­nen der Woh­nung in den meis­ten Fäl­len unver­meid­bar. Bar­rie­re­frei­heit ist eine Bedin­gung, um mög­lichst lan­ge selbst­be­stimmt zu woh­nen. Aller­dings leben zur­zeit nur 20 Pro­zent der Öste­rei­che­rIn­nen über 60 Jah­re in einer bar­rie­re­frei­en Woh­nung. Sechs Pro­zent pla­nen einen Umbau. Grund für die­sen gerin­gen Anteil sind die Kos­ten, die ein Umbau zu einer senio­ren­ge­rech­ten Woh­nung ver­ur­sacht. Das merkt auch Peter
Kos­tel­ka, Prä­si­dent des Pen­sio­nis­ten­ver­ban­des Öster­reich, an. Er for­dert För­de­run­gen, wel­che älte­re Men­schen dabei unter­stüt­zen sol­len, ihre Woh­nun­gen bzw. Häu­ser alters­ge­recht und bar­rie­re­frei aus­bau­en zu kön­nen. Das kom­me letzt­lich der gesam­ten Gesell­schaft zugu­te: Denn je län­ger älte­re Men­schen selbst­stän­dig leben kön­nen, des­to bes­ser ihre finan­zi­el­le Lage und des­to weni­ger wird das Pfle­ge­sys­tem belas­tet. Jeder Unfall auf­grund von Gebrech­lich­keit und nicht ange­pass­ter Wohn­in­fra­struk­tur ver­ur­sacht gro­ße Kos­ten für die Gesell­schaft. Wohn­bau­för­de­run­gen, die dazu bei­tra­gen, die­se Unfäl­le zu ver­mei­den, sei­en also kei­ne „Geschen­ke“, so Kos­tel­ka.

Digi­ta­li­sie­rung: Chan­ce, aber auch Gefahr der Ent­mün­di­gung
Die Digi­ta­li­sie­rung unse­rer Lebens­welt ist nicht nur ein The­ma für die Jugend. Im Gegen­teil: Im Alter kann die Digi­ta­li­sie­rung dazu bei­tra­gen, die Lebens­qua­li­tät zu erhal­ten, selbst­be­stimmt zu woh­nen und den Kon­takt zur Außen­welt nicht zu ver­lie­ren. So besitzt mitt­ler­wei­le jeder Neun­te der Befrag­ten ent­we­der eine Smart­watch, Sprach­as­sis­tenz und/oder einen Staub­saug­ro­bo­ter. Die­se Zah­len zei­gen einen deut­li­chen Anstieg von zwei Pro­zent im Jahr 2018 auf zwölf Pro­zent im Jahr 2023.

In der zuneh­men­den Digi­ta­li­sie­rung liegt aber auch Gefahr: Die „Alten“ sind bei wei­tem kei­ne homo­ge­ne Grup­pe. Bei den heu­te 60-Jäh­ri­gen kann man davon aus­ge­hen, dass sie mit dem Umgang mit Han­dy und Com­pu­ter ver­traut sind. Bei den heu­te 80-Jäh­ri­gen ist das noch lan­ge nicht der Fall. Wenn die Erle­di­gun­gen des All­tags nur mehr digi­tal mög­lich sind – wie Bank­ge­schäf­te, Bestel­lun­gen über Inter­net etc. – dann wer­den die­je­ni­gen, die die­se digi­ta­len Fer­tig­kei­ten nicht beherr­schen, qua­si ent­mün­digt.

Wie wer­den die Jun­gen altern?
Unse­re Gesell­schaft wird älter. Das ist die eine Sei­te. Die ande­re Sei­te ist, dass sich die Senio­ren der Zukunft nur bedingt mit den heu­te 80-Jäh­ri­gen ver­glei­chen las­sen. Das betrifft einer­seits die Digi­ta­li­sie­rung – aber nicht nur. Die „Baby-Boo­mer“ – also die Gene­ra­ti­on, die vor allem in den 1960er-Jah­ren gebo­ren wur­de, ist einer­seits die Gene­ra­ti­on der Erben – das gilt auch für Wohn­ei­gen­tum. Ande­rer­seits gibt es die Ten­denz, immer spä­ter im Leben Kin­der zu bekom­men und dem­entspre­chen län­ger für sie finan­zi­ell sor­gen zu müs­sen. Das heißt, die Anspar­zeit für Eigen­tum im Alter wird kür­zer.

Die künf­ti­gen und heu­ti­gen „jun­gen Alten“ haben auch weni­ger Scheu vor alter­na­ti­ven Wohn­for­men. Oft hat man sel­ber in jun­gen Jah­ren in einer Wohn­ge­mein­schaft gelebt und kann sich durch­aus vor­stel­len, auch im Alter wie­der in eine WG zu zie­hen. Eine Ten­denz, die sich bei den jun­gen Alten zeigt, ist jene zur Selbst­vor­sor­ge: Man ver­traut weni­ger auf den Staat und wird selbst aktiv, um spä­ter ein­mal unbe­sorgt altern zu kön­nen.

Eini­ge Din­ge wer­den sich aller­dings nicht ändern. Dazu gehört die Rol­le der Fami­lie. Auch wenn die Gene­ra­tio­nen nicht gemein­sam woh­nen, und selbst wenn man in eini­ger Ent­fer­nung von­ein­an­der lebt – die Fami­lie wird nach wie vor die engs­te Bezugs­grup­pe blei­ben. Auch und vor allem in Zei­ten der Kri­se.

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